Nikolausaktion sorgt für strahlende Kinderaugen
Quelle: Schwetzinger Zeitung
Es ist eine schöne Aktion, die 30 Ehrenamtliche des TV 1864 Schwetzingen am Nikolaustag unternehmen: Sie überraschen auf Bestellung Kinder. 243 waren es dieses Mal. Das bedeutet 98 Termine. Wir begleiten einen Trupp.
Schwetzingen. Knecht Ruprecht schwingt seine Glocke. Wir stehen vor einem weihnachtlich geschmückten Reihenhaus in der Nordstadt von Schwetzingen. Es ist nasskalt, die Temperaturen sind um den Gefrierpunkt. Kurz zuvor hat es noch geregnet. Egal: Es ist Nikolaustag und die Truppen müssen ausschwärmen.
Gemeint sind die ehrenamtlichen Nikoläuse vom TV 1864 Schwetzingen. Seit 50 Jahren können Familien die Damen und Herren buchen, damit diese am Abend des 6. Dezember zu ihnen nach Hause kommen, die Kinder beschenken, sie loben und auch mal rügen. Dieses Mal mische ich mich unter die Rotkutten, um zu sehen, wie ein solcher Abend abläuft.
Die braune, massive Haustür geht einen Spalt auf. Kinderaugen blinzeln neugierig. Dann springt die Tür sperrangelweit auf. „Niiiikolaaaaauuus“ ruft ein Mädchen euphorisch und rennt aus dem Haus. Es ist Liv, sieben Jahre alt. Sie ist dick eingemummelt in einen olivgrünen Parka über der Jeans, trägt schwarze Winterstiefel und in ihren braunen langen Haare trägt sie einen Reif mit einem Rentiergeweih.
Hinter ihr kommen ihre Eltern zur Tür. „Liv, nicht so stürmisch, der Nikolaus ist ein älterer Herr“, bittet die junge Mutter ihre Tochter. Doch die ist ganz aufgeregt. „Liv, es ist schön, wenn du höflich bist. Aber du sollst aufpassen bei Fremden“, appelliert der Nikolaus an das kleine Mädchen. Er trägt eine Robe, hält einen Bischofsstab in seiner Hand, ein weißer Bart verdeckt sein Gesicht zum großen Teil.
Woher der Nikolaus das wohl alles weiß? Ganz einfach: Wenn die Nikolaustruppe des TV angeheuert wird, geben die Eltern Tipps in Bezug auf ihre Kinder mit. So wie bei Liv. „Ich weiß, wie man mit Fremden umgeht. Im Gesicht kratzen“, erwidert die aufgeweckte Schülerin keck. Sie streckt den Arm aus. In ihrer Hand hält sie eine Papierrolle. Sie schenkt dem Nikolaus ein selbst gemaltes Bild als Dankeschön. Eine liebe Geste, die den Nikolaus rührt.
Hinter den Kulissen des Nikolausdienstes: Die Vorbereitungen und die Logistik
In dem Nikolauskostüm steckt übrigens Dieter Endres. Der bekannte Schwetzinger und langjährige Radsportler gehört seit Jahren zur Nikolausgruppe. An diesem Tag ist der Rentner mit Barbara Schönfeld und Diana Weber unterwegs. Barbara Schönfeld steckt in einem Weihnachtsmannkostüm und hat eine Rute aus dünnen Ästen bei sich – sie ist Knecht Ruprecht.
Nur an ihrer hellen Stimme erkenne ich, dass eine junge Frau hinter der Bartattrappe steckt. Verwaltungsmitarbeiterin Diana Weber schmückt ihre dunkelblondes Haupt mit einem blinkenden Rentiergeweih. Sie sorgt dafür, dass der Terminplan eingehalten wird und sich die Truppe nicht verirrt.
Acht dieser Gruppen entsendete der Turnverein am Nikolaustag und das nicht nur in Schwetzingen. Unterwegs waren die Teams auch in den umliegenden Gemeinden.
Nikolausaktion in Schwetzingen im Akkord: Strenger Zeitplan
Im Stechschritt geht’s weiter. Eile ist geboten. Dieter Endres: „Wir haben bis 20 Uhr alle 20 Minuten einen Termin. Insgesamt haben wir neun. Zu einem müssen wir mit dem Auto. Der Zeitplan ist eng.“ Daher dürfen sich die Nikoläuse auch nur maximal zehn Minuten bei einer Familie aufhalten. Das fällt manchmal schwer, denn man kommt ins Gespräch, so wie bei Julian (12), dessen Bruder Tristan (9) und seinen Eltern.
Barbara Schönfeld alias Knecht Ruprecht richtet noch schnell den Mantel, der Nikolaus schnauft tief durch. Diana Weber eilt voraus und packt die Geschenke in den Sack, die die Eltern zuvor vor die Türe gelegt haben – die Logistik ist ausgeklügelt.
Berührungen und Emotionen: Bewegende Momente bei den Begegnungen mit den Kindern
Die Tür geht auf: Die beiden Brüder stehen wie angewurzelt vor dem großen bärtigen Mann. Die Mama kommt dazu. „Oh, schaut mal, der Nikolaus“, sagt sie mit zarter Stimme. – „Bist du mit dem Schlitten gekommen?“, fragt Julian gleich. „Nein, nein, es liegt doch gar kein Schnee“, entgegnet Nikolaus Endres.
„Du hast dieses Jahr eine sehr tolle Entwicklung gemacht“, lobt er Julian, der – so weiß er es von der Mama – diagnostizierter Autist ist. Beide Jungs seien in diesem Jahr zum Klassensprecher ernannt worden, Tristan helfe nun mehr der Mama und Julian sei selbstständiger geworden, wurde dem Nikolaus zuvor zugespielt. Julian zeigt keine Scheu und plaudert drauflos: „Ich habe sogar eine Zahnspange, schau mal“, reißt er den Mund so weit auf, dass sogar ich seinen Gaumen sehe. Seelenruhig, mit tiefer und vertrauenschaffender Stimme, antwortet der Nikolaus: „Oh wow, das heißt, du hast dir dein Geschenk wirklich verdient.“ Na klar hat er das – so wie die vielen anderen Kinder an diesem Tag.
Geschichten und Erinnerungen: Anekdoten aus dem Leben eines Nikolauses
Weiter geht’s. Die Schritte werden größer, das Tempo wird angezogen: Auf dem lange Weg zur nächsten Bescherung gibt Dieter Endres ein paar Anekdoten aus seinem Nikolausleben preis. „Ich habe schon so viel Verrücktes gesehen. Auf Zetteln der Eltern stand zum Beispiel, dass das Kind bitte nicht ,Drecksau‘ sagen solle.
Da musste ich mir auf die Backe beißen, um nicht zu lachen“, ist ihm noch eine illustre Rüge in Erinnerung. „Aber das Berührendste, das ich je erlebt habe, war eine Familie, die offensichtlich sehr arm war. Das Kind bekam ein Auto aus Holz. Das war in einem Zustand, dass es andere wohl weggeworfen hätten. Doch der Junge hat sich gefreut wie über einen Lottogewinn.“ Da bekomme sogar ich feuchte Augen. So ein Nikolausdasein ist im wahrsten Sinne des Wortes bewegend. Und schon schwingt Knecht Ruprecht wieder seine Glocke vor dem nächsten Haus.